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Interview mit Sebastian Mebes

Wie kann die individuelle Studienorientierung ablaufen, wenn man sich besonders für die Freie Universität Berlin interessiert? Wir haben hierzu Sebastian Mebes befragt, der bei der Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung arbeitet.

Unser Blog beschäftigt sich mit dem Thema Berufs- und Studienorientierung. Welche beruflichen Ziele hatten Sie während der Schulzeit? Wie verlief dann rückblickend Ihre Berufs- und Studienorientierung?

In der Schulzeit blickte ich ziemlich pessimistisch in die Zukunft und befürchtete trotz Abiturs von staatlicher Unterstützung zu leben oder mich von Aushilfsjob zu Aushilfsjob zu hangeln. So erging es meiner Mutter und nach meiner Einschätzung vermittelten auch die Massenmedien eine gewisse Perspektivlosigkeit. „In diesen Zeiten“ an eine gut bezahlte unbefristete Beschäftigung zu glauben, erschien mir jedenfalls als unangemessen optimistisch. Ein Studium zog ich zwar in Betracht; Soziologie, Biologie, Psychologie und Medienwissenschaften waren attraktive Optionen für mich. Doch erst im Zivildienst auf dem Bauhof meiner Heimatgemeinde manifestierte sich, dass ich mich in Aushilfsjob oder handwerklichen Tätigkeiten unterfordert fühlen würde und entschied mich für ein Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft („was mit Medien!“) und etwas später der Nordamerikastudien (da Englisch mein Lieblingsschulfach war und ich nach dem Zivildienst ein halbes Jahr in Kanada lebte).

Auch wenn jeder Schüler, jede Schülerin den eigenen Weg finden soll: Welche allgemeinen Tipps möchten Sie jungen Leuten bei der Berufs- und Studienorientierung mit auf den Weg geben?

Ich nehme in der Beratung sehr häufig ähnliche Zukunftsängste wahr wie ich sie hatte. Vielen erscheint es regelrecht naiv, sich aufgrund von Bedarfsprognosen verschiedener Branchen nach ihren eigenen Interessen zu richten und vielleicht Geistes- oder Sozialwissenschaften zu studieren. Aber genau das wäre mein Appell: Reflektieren Sie Ihre Interessen und Stärken. Arbeitsmarktprognosen müssen nicht so eintreten und können sich im Laufe Ihres Studiums ändern. Zudem möchte ich dringend dazu raten, sich mit in Frage kommenden Studienfächern intensiv auseinanderzusetzen, um Studienwechsel oder -abbrüche zu vermeiden. Es gibt an der Freien Universität Berlin und auch an anderen Hochschulen Online-Studienfachwahl-Assistenten (www.osa.fu-berlin.de). Unter Normalbedingungen finden Vorlesungen in Präsenz und öffentlich statt, gehen Sie hin! Wenden Sie sich an die Fachschaften bzw. Fachschaftsinitiativen (FSI) der Studienfächer, um mit aktuellen Studierenden über die Fächer zu sprechen. Besuchen Sie Informationsveranstaltungen zu Studiengängen wie unsere inFUtage (www.fu-berlin.de/infutage) oder Uni im Gespräch (www.fu-berlin.de/uni-im-gespraech).

Ganz allgemein gefragt: Wie funktioniert die Bewerbung als Student*in an der FU Berlin?

Es gibt derzeit vor allem drei Bewerbungswege: Für Mono-Bachelor und Staatsexamensstudiengänge erfolgt die Bewerbung über das Dialogorientierte Serviceverfahren (DoSV) von www.hochschulstart.de. Hier ist vor allem wichtig zu beachten, dass das DoSV hochschulübergreifend funktioniert und Bewerber*innen ihre maximal 12 Studienwünsche bis spätestens eine Woche nach Bewerbungsschluss in eine Reihenfolge bringen müssen. In diesem Verfahren ist nur eine Zulassung möglich. Da Kombinations-Bachelor und einige an Sprachtests gekoppelte Mono-Bachelor (wie Nordamerikastudien an der FU Berlin) momentan noch nicht im DoSV abgebildet werden können, erfolgt die Bewerbung hier direkt an der FU Berlin. Der dritte Weg ist nur für diejenigen relevant, die kein deutsches Abitur erwerben. Dazu gehören auch Absolvent*innen des International Baccalaureat (IB), das in Deutschland erworben werden kann. Diese Bewerbungsgruppe bewirbt sich im Regelfall über www.uni-assist.de.

Wie sieht ein erfolgreiches Motivationsschreiben für eine Bewerbung als Student*in an der Universität aus?

Staatliche Hochschulen vergeben ihre Studienplätze nach landesrechtlichen Vorgaben. In Berlin könnten Hochschulen bei der Vergabe von Bachelorstudiengängen zwar Auswahlgespräche führen, die Aufschluss über die Motivation der Studieninteressierten geben, wobei die großen Unis und Fachhochschulen das nicht tun. Motivationsschreiben einzufordern, wäre allerdings nicht zulässig. Private und künstlerische Hochschulen sind davon ausgenommen. 

Welche Kriterien gelten bei der Bewerber-Auswahl an der FU Berlin?

Nach Abzug von diversen Vorabquoten (z. B. für Härtefälle oder in Berlin-Brandenburg lebenden Minderjährigen) werden in Kernfächern nur (!) 20 % der Studienplätze nach dem Abiturschnitt vergeben, 20 % nach Wartezeit und 60 % im Auswahlverfahren der Hochschule, in welchem nach derzeitigem Stand neben dem Abiturschnitt vor allem bestimmte Leistungen in einzelnen Schulfächern berücksichtigt werden. Als Beispiel werden für den Studiengang Psychologie Bonuspunkte gesammelt werden, wenn Bewerber*innen in den Leistungskursen Mathematik und Biologie mindestens 11 Punkte in der Abiprüfung oder im letzten Schulhalbjahr hatten. Die Auswahl von Bewerber*innen ist ja landesrechtlich geregelt und es kann immer mal wieder zu größeren oder kleineren Änderungen kommen. Erst 2020 trat dies für die bundesweit vergebenen Studienplätze der Medizin, Pharmazie, Veterinärmedizin und Zahnheilkunde ein. Ich kann nur dazu raten, sich nicht zu fest an den Auswahlgrenzen (NC-Werte) der letzten Jahre zu klammern, auch wenn diese oft eine gute Orientierung bieten, wenn man sie richtig zu interpretieren weiß. Die Verfahren sind jedoch so komplex, dass bei NC-Fragen immer die Hochschulen kontaktiert werden sollten, bei uns die Allgemeine Studienberatung.

Was hat sich bei den Auswahlverfahren in der letzten Zeit geändert?

Hier ist vor allem zwischen den vier medizinischen Fächern (Medizin, Pharmazie, Veterinärmedizin, Zahnheilkunde) und den verbleibenden Fächern zu unterscheiden. Im sogenannten Zentralen Vergabeverfahren für die medizinischen Fächer hat sich erst 2020 das Auswahlverfahren dahingehend verändert, dass jetzt 30 statt bisher 20 % nach der Abiturnote vergeben werden und dass die Wartezeitquote zugunsten einer Zusätzlichen Eignungsquote ersetzt wurde. Wartezeit spielt in diesen Fächern als Übergangsfrist noch eine kleine Rolle, ab Wintersemester 2021/22 aber gar nicht mehr. In den Örtlichen Vergabeverfahren hat sich in Berlin neben kleineren Änderungen (Einführung einer Spitzensportler*innenquote und einer optionalen Quote für beruflich Qualifizierte ohne Abitur) in den letzten ca. 15 Jahren vor allem geändert, dass im Auswahlverfahren der Hochschulen (über das an der FU Berlin derzeit 60 % der Plätze vergeben werden), neben der Note eine immer stärkere Gewichtung von weiteren Kriterien (v. a. Schulfächern) möglich ist.

Welche Rolle spielen Kompetenzen, die nicht in Schulnoten belegt sind, z. B. soziale Kompetenzen?

Im Auswahlverfahren spielen diese im Moment keine große Rolle, wobei das kürzlich novellierte Berliner Hochschulzulassungsgesetz mehr Spielraum für die Zukunft lässt. Es wird sich zeigen, ob und was sich ändert. Im Studium selbst erachte ich v. a. soziale Kompetenzen für sehr entscheidend, nicht nur in naheliegenden Fächern wie Lehramt oder Sozialwissenschaften. Auch wenn z. B. naturwissenschaftliche Studiengänge oftmals mit eigenbrötlerischen Studierenden assoziiert werden, wird gerade in Fächern wie Chemie, Pharmazie, Bioinformatik usw. während Laborpraktika in Teams gearbeitet und Übungszettel im Regelfall gemeinschaftlich bearbeitet. Letzteres gilt z. B. auch für Mathematik und Physik.

Welche Aspekte beeinflussen den Studienerfolg, z. B. Relevanz vom Selbstmanagement?

Nach meinem Informationsstand gibt es dazu ganz unterschiedliche Ergebnisse wissenschaftlicher Studien. Ich denke, dass es hier von Fach zu Fach auch Unterschiede geben kann. Für die meisten Studiengänge gilt es festzuhalten, dass Eigenmotivation wohl eines der wichtigsten Kriterien für einen Studienabschluss ist. Anders als in der Schule ist es den Hochschullehrer*innen ziemlich egal, ob Student*in X das Modul Y dieses Semester abschließt oder doch erst in zwei Jahren oder gar nicht. Studierende müssen viel Eigeninitiative zeigen. Es gibt an der FU Berlin noch nicht einmal eine maximale Studiendauer, nach der Studierende exmatrikuliert würden. Das ist Fluch und Segen gleichermaßen. Ich möchte Studierende aber dazu ermutigen, sich an die Beratungsstellen der Hochschule zu wenden, wenn es im Studium nicht so läuft wie es nach eigenem Ermessen wünschenswert wäre. Die (studentischen) Studienfachberatungen helfen, Ordnung in den Studienverlauf zu bringen, die Allgemeine Studienberatung und die Kolleg*innen der Psychologischen Beratung helfen bei Motivationsschwierigkeiten und bieten z. B. auch Workshops zu Themen wie Zeit- und Selbstmanagement oder Prüfungsängsten an.

Wie kann man sich schon in der Schule auf ein Studium vorbereiten?

Viele Schulen in Berlin bieten den Kurs „Studium und Beruf“ an. Obwohl ich nicht so viel über die Ausgestaltung des Kurses weiß, würde ich grundsätzlich empfehlen, ihn zu belegen. Nicht zuletzt gibt es auch dafür ein paar Punkte im Auswahlverfahren, zumindest an der FU Berlin. Darüber hinaus würde ich nicht zu spät anfangen, mich mit dem Thema Studium auseinanderzusetzen. Gerade im Jahr vor dem Abitur haben Schüler*innen vermutlich mehr Zeit als in der Abiturstufe. Gehen Sie in Vorlesungen, wenden Sie sich an die aktuellen Studierenden (Fachschaften), nutzen Sie die Angebote der Hochschulen.

Hochschulübergreifende Tipps:

www.hochschulkompass.de (Erweiterte Studiengangsuche, Studium-Interessentest)

www.studienwahl.de (Fachinfos, bundesweite Studieninformationen)

www.hu-berlin.de/studium/esra (Orientierungstool der HU Berlin)

FU-Tipps:

www.osa.fu-berlin.de (Online-Studienfachwahl-Assistenten)

www.fu-berlin.de/infutage (Tag der Offenen Tür bzw. Studiengangvorstellungen)

www.fu-berlin.de/uni-im-gespraech (Inforeihe zu Studiengängen, jeden Mittwoch um 18 Uhr)

Veröffentlicht am 20.01.2021


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