Interview Mit Markus Vogel

Unser Blog beschäftigt sich mit dem Thema Berufs- und Studienorientierung. Sie haben hierzu Ihre Erfahrungen in einem Text im Jahr 2017 veröffentlicht. Wie verlief Ihr weiterer Weg seit dieser Zeit?

Mein duales Studium als Verbindung von Theorie und Praxis war für mich die richtige Wahl, ich würde mich nochmal so entscheiden. Im September 2019 konnte ich das Studium erfolgreich abschließen. Im Anschluss habe ich meinen Master an der TU Berlin begonnen und arbeitete nebenher in Teilzeit als Systemingenieur in der Schienenfahrzeugbranche. Ein Jahr später durfte ich zwei Auslandssemester an einer Partneruniversität in Kanada antreten und genieße nun die Zeit im Ausland, auf die ich als mein Ziel hingearbeitet habe.

Welche Stolpersteine gab es auf diesem Weg? Welche unerwarteten Chancen haben sich eröffnet?

Der Wechsel in ein neues Umfeld nach der Schule an die Hochschule und auch ins Berufsleben in eine Firma waren ein großer Umbruch, auch weil ich durch meinen längeren Fahrweg, die anspruchsvoll erscheinenden neuen Studieninhalte und die langen Tage physisch gefordert wurde. Aus der Situation habe ich gelernt mir vor einem sich anbahnenden neuen Schritt mehr Gedanken darüber, was mich erwarten könnte zu machen. Anschließend kann es hilfreich sein, einzelne Punkte im Vorhinein zu erkunden, z. B. sich an Infotagen von dem Ort ein Bild zu verschaffen, aktuelle Auszubildende oder Studierende nach Ihren Erfahrungen zu fragen. Das hat mir später meinen Wechsel zum Master an die neue Universität erleichtert. Meine Englischkenntnisse baute ich kontinuierlich aus, weil ich das zum einen für den Sprachtest brauchte und zum anderen spürte, dass es mir das Leben im Ausland erleichtern wird. An Kanada gewöhnte ich mich unkompliziert, möglicherweise durch den virtuellen Start in der vertrauten Umgebung.

Im Sommer 2018 durfte ich im Rahmen des Fulbright Intercultural Communication Program für einen guten Monat an einer Summer School in den USA teilnehmen und in das amerikanische Campusleben schnuppern. Aufmerksam wurde ich durch das Auslandsamt meiner Hochschule. Im September 2018 wurde ich durch das Prüfungsamt für die Aufnahme in die Studienstiftung des deutschen Volkes vorgeschlagen und habe das Auswahlwochenende gut gemeistert. Über dieses Stipendium bin ich besonders dankbar, gerade die vielen ideellen Angebote schätze ich. Dadurch verbrachte ich meinen Urlaub im Sommer 2019 in einem Sprachkurs in Großbritannien.

Abseits vom Studium in Fachbüchern: Welche weiteren Faktoren beeinflussen den Studienerfolg, z. B. Relevanz von Zeit- und Selbstmanagement?

Das spielt beides eine große Rolle, denn der Alltag ist nicht mehr so klar strukturiert, wie er vielleicht zu Schulzeiten war. Mehr Eigeninitiative ist erforderlich. Wie ich es erlebe, ist es ein kontinuierlicher Prozess, ihr probiert eine Technik mehrere Monate aus, merkt was gut oder weniger läuft und passt es an. Ich habe dabei schon mehrere Veränderungen durchgeführt und denke, dass beste Mittel ist flexibel zu bleiben und sich auf verändernde, äußere Umstände anzupassen.

Ganz wichtig finde ich es einen Ausgleich zu haben. Dazu musiziere ich beispielsweise mit der Klarinette im Orchester und paddle im Verein. Während der Schulzeit habe ich erlebt, wie einige meiner Mitschüler ihre Hobbies aufgegeben haben. Das halte ich nicht für den richtigen Weg. Klar solltet ihr euren Terminplan nicht so voll gestalten, dass euch die Aktivitäten negativ stressen. Bisher hat es mir positiv geholfen, um abschalten zu können, dabei neue Kraft zu tanken sowie auch gute Ideen entwickeln zu können.

Eine weitere Möglichkeit euch weiterzuentwickeln und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, ist ehrenamtliches Engagement. Das kann sehr vielfältig sein, in einem Verein, einer Gemeinde, oder einer öffentlichen Institution (freiwillige Feuerwehr, Nachhilfe, Sport, Musik, Tanz, Kultur, Umwelt, Politik etc.). Ich habe dazu eine Jugendleiterausbildung und später verschiedene Trainerausbildungen gemacht, um in meinem Sportverein Jugendliche und später Erwachsene anzuleiten.

Da Sie nun verschiedene praktische Erfahrungen in der Berufswelt erlangt haben: Welche Rolle spielen Kompetenzen, die nicht in Schulnoten belegt sind, z. B. soziale Kompetenzen, in der Arbeitswelt?

Je nach Bereich, in dem ihr nach eurer Ausbildung tätig seid, werdet ihr nur einen Bruchteil eures Fachwissens brauchen und Methoden sowie Fähigkeiten, die ihr gelernt habt, spielen eine größere Rolle. Zu den Kompetenzen zählt die Arbeit im Team, aber auch Selbstmanagement und Organisation, um die eigenen Aufgaben zu bewältigen. Hier solltet ihr flexibel auf unerwartete Probleme und Aufgaben reagieren können sowie den Überblick nicht verlieren. Als Systemingenieur arbeite ich an der Schnittstelle mit zahlreichen weiteren Abteilungen in der Firma, mit Lieferanten und Kunden. Daher ist Kommunikationsfähigkeit von großer Bedeutung, was das Führen von Telefonaten und Meetings, Themen präsentieren, nach Informationen fragen, Dokumente einfordern und auch aktives Zuhören beinhaltet. Unsere Arbeitswelt ändert sich rasant und damit auch die Aufgaben. Die Bereitschaft zum Lebenslangen lernen und Weiterbilden solltet ihr mitbringen.

Auch wenn jeder Schüler, jede Schülerin den eigenen Weg finden soll: Welchen abschließenden allgemeinen Tipp zum Thema Berufs- und Studienorientierung möchten Sie noch übermitteln?

Mein Tipp ist euch proaktiv Unterstützung zu suchen. Dadurch werden sich euch Chancen und neue Wege ergeben. Sei es in der Ausbildung oder im Studium, in jedem Fall werdet ihr erfolgreicher sein, wenn ihr euch Wegbegleiter sucht und zusammen die nächsten Lebensschritte meistert. Schaut aktiv nach Angeboten, die eure Bildungseinrichtung bietet, wie in meinem Fall beispielsweise nach Möglichkeiten einen Teil im Ausland zu verbringen oder auch Workshops, die euch Kompetenzen über eure Fachkenntnisse hinaus vermitteln. Informiert euch über finanzielle und ideelle Fördermöglichkeiten. Es gibt beispielsweise 13 Förderwerke in Deutschland und noch viele hunderte weitere Stipendien, z. B. durchsuchbar unter Studienlotse oder MyStipendium. Denkt nicht, dass ihr euch nicht bewerben solltet, weil ihr vielleicht nicht sehr gute Noten in der Schule hattet, denn es gibt auch andere Qualitäten wie soziales Engagement, die zählen.

Veröffentlicht am 27.12.2020


Feedback-Formular